Auswanderer aus dem Bistum Würzburg

Auswanderer aus dem Bistum Würzburg in das Komitat Komorn-Gran *
von Anton Tressel
Die Frage „Woher kamen unsere Vorfahren?“ ist heute so aktuell wie ehedem. Das große Interesse an dieser Frage beweisen auch die zahlreichen E-mail-Anfragen aus aller Welt an die ungarndeutsche.de. Mit Hilfe der elektronischen Medien können heute mehr Auswanderer erfasst werden als in der Vergangenheit.
Entlang der Grenzlinie zwischen dem türkisch beherrschten und dem ungarischen Gebiet im Westen des Geretsche- und nördlich des Schildgebirges waren die Siedlungen Anfang des 18. Jahrhunderts verwüstet und menschenleer.1827 erwarben die Esterházys die Güter von Totis/Tata und die umliegenden Dörfer. Den neuen Grundherren gelang es, ab 1829 eine Reihe von Dörfern mit deutschen und slowakischen Bauern zu besiedeln. Anhand unlängst aufgefundener Dokumente wollen wir die Herkunft einiger Ansiedler aus dem damaligen Bistum Würzburg erörtern. Wegen der Unleserlichkeit der Dokumente enthält die Bearbeitung von Fatuska und Kaptay viele Fehler, die ich versucht habe – so gut es ging – auszumerzen. Trotz allem muss bei vielen Familien- und Ortsnamen ein Fragezeichen gesetzt werden, weil sie nicht restlos geklärt werden konnten.
Augustin/Agostyán (h. Ortsteil von Totis/Tata) hat die meisten würzburgischen Siedler erhalten: 21 Familien. Das sind 47,7% von den insgesamt 43 angesiedelten Familien. Die allermeisten von ihnen kamen 1733 an. Namentlich waren das: Berend, Johann aus ? Kerbersdorf (h. Bad-Soden-Salmünster; ? Büttner, Johann aus ? Waltersdorf bei Greiz/Thüringen; Eck1 , Sebastian aus ? Hanau; Hank oder ? Hauck, Michael aus ? Stettfeld/Unterfranken; Häferer oder Häfner, Kaspar aus Traustadt über Haßfurt; Keb oder ? Geheeb, Nikolaus aus ? Mariaburghausen; Klein, Johann aus ? Heidenheim über Gunzenhausen/Mittelfranken; Link oder Linckh3, Hans aus Spielhof, Prölsdorf; Lorenz, Valentin aus ? Hart4, Würzburg; Melber5, Johann aus ? Ebern; Merklein, Lorenz aus ?; Metzger, Kaspar aus Ramsthal; Natz, Bernhard aus Redlhof oder ? Rödelmaier6; Packardt, Thomas aus ? Hainstadt über Hanau; Retzer, Johann aus ?; Rittinger, Peter aus ? Schönau; ? Patz7, Andreas aus ? Bösenbechhofen; Schuffert , Hans aus ? Pusselsheim ü.Schweinfurt (h. Donnersdorf); Sedelmaier, Kaspar aus Wülfingen ü. Haßfurt; Wiest, Balthasar aus Eßlingen ü. Treuchtlingen (h. Solnhofen); Wolz8, Dietrich aus Estenfeld; Ziegler, Johann aus ? Königheim (westlich von Tauberbischofsheim).
Untergalla/Alsógalla (h. OT von Tatabánya) hat die zweit größte Gruppe von Würzburger Siedlern aufgenommen: 17 Familien. Das sind von 44 38,64%. Die Ankunftsjahre werden in Klammern angegeben. Namentlich sind folgende Ansiedler bekannt: Baumann9, Andreas (1734/? 1735) aus Großlangheim über Kitzingen; Fetten, Nikolaus (1737) aus Marbach (h. Lauda-Königshofen); Helmerich, Jakob (1733) aus ? Handloh (h. Unterdietfurt); Ising , Johann (1733) aus ? Krumbach (h. Fürth/Odenwald); Ising10, Peter (1733) aus Krumbach oder ? Krummen (h. Eberhardzell); ? Kett, Wolfgang aus Oberschwarzach (h. Schwarzach/Odenwald); Kuhn, Leonhard (1733) aus Reichelsheim/Odenwald; Leitold, Vitus (1734) aus Kolitzheim ü. Schweinfurt; Miller, Friedrich (1736) ? Höpfingen/Odenwald; Minnich, Johann (1734) aus ? Wustviel (h. Rauhenebrach); Pridich oder Pridik, Andreas (1733) aus ?..bach, Würzburg; ? Pridik, Martin (1734) aus Ebernatz, Würzburg; ? Reinhardt11, Christoph (1734) aus Koppenwind (h. Rauhenebrach); Reuß12, Hans Jörg (1734 oder 1733) aus Kehlingsdorf/Burgwindheim; ? Rödl13, Johann (1734) aus Rödelsee; Schenkengel14, Michael (1734) aus ? Eberbach (h. Reichelsheim/Odenwald); Schmidt, Johann (1733) aus ? Eßfeld (h. 97232 Giebelstadt); Schneider, Ägid (1734) aus Großlangheim ü. Kitzingen; Stockbauer, Peter (1733?) aus ? Steinbach; ? Sang(e)l oder Stang(e)l15, Johann (1734) aus Großlangheim.
In Schemling/Semle (h. Vértessomló) westlich von Tatabánya begann die Ansiedlung 1734. Die 11 Familien aus dem Bistum Würzburg (22,45% der Erstansiedler) kamen fast alle in diesem Jahr. Bis 1737 wurden von den Esterházys 49 Familien angesiedelt. Bemerkenswert ist, dass im Gegensatz zu den anderen Orten hier 5 Familien aus Schnackenwerth stammen. Ansässig wurden: Bauer16, Georg aus ? Hundheim (h. Külsheim, Baden); Götz, Georg aus ? Schnackenwerth ü. Schweinfurth; Hetterich, Johann aus Schnackenwerth; Horn, Johann aus ? Schnackenwerth; Mander, Johann aus ? ,Tatbil‘17, Würzburg; Pfister(er)18, Johann (Ankunftsjahr unbekannt) aus Schnackenwerth; Reis, Johann aus Hambach ü. Schweinfurt; ? Roemig, Martin (1737) aus ? Mellrichstadt; ? Schöffner, Hans (1737) aus ? Humprechtshausen; Thees (Dees)19, Theobald aus Schnackenwerth; Vetter20, Hans Michael aus Untersteinbach ü. Haßfurt.
Saar/Szár südlich von Tatabánya – im Komitat Fejér/Weißenburg – gelegen wurde bereits ab 1729 mit Deutschen aus dem In- und Ausland besiedelt. Bis 1737 kamen 62 Familien hierher. Von ihnen waren 13 aus dem Bistum Würzburg, d. h. rund 21%. Dazu gehörten: Bayer, Michael (1734) aus ? Sulzfeld; Beier…, Hans (1734) ? Hesseldorf über Wächtersbach; Eck21, Josef (1732) aus Großenhausen (h. Linsengericht); Fritz22, Hans Adam (1733) aus ? Reupelsdorf über Kitzingen/Unterfranken; ? Hajek23, Hans (1732) aus ? Wasserlos (h. Alzenau/Unterfranken); Hillmann, Johann (1732) aus Abersfeld (h. Schonungen); Kolben24, Jakob (1729) aus ? Michelfeld/Unterfranken (h. Marktsteft); Landsmann25, Hans (1732) aus Thüngfeld b. Schlüsselfeld; Laub, Adam (1732) aus Eichenberg (h. Sailauf/Unterfranken; Laub, Ludwig (1732) aus Eichenberg (h. Sailauf/Unterfranken; Metz26, Michael (1734) aus ? Lorch oder Lorsch; Schmidt, Georg (1734) aus Schmalwasser (h. Sandberg/Unterfranken); Wagenbrönner27, Leonhard (1737) aus Rimpar/Unterfranken.
Obergalla/Felsõgalla (h. OT von Tatabánya): Hier begann die Ansiedlung 1735. Aus der Diözese Würzburg ließen sich nur 6 Familien nieder. Das sind 11,76% von den 51 deutschen Familien aus dem In- und Ausland. Wie folgt waren das: ? Büttner28, Nikolaus (1735) aus Geiselwind; ? Feth29, Johann (1737 oder ? 1748) aus ? Bischbrunn ü. Marktheidenfeld/Unterfranken; Fratz, Nikolaus (1735) aus ? Dietershausen (h. Künzell) östl. Fulda; Reblein, Pankratz (1735) aus ? Gernach ü. Schweinfurt; ? Spätner, Johann (1735) aus ? Hoch Weisel ü. Butzbach/Hessen; Wolter, Johann (1735) aus Sulzfeld/Grabfeld, Unterfranken.
Tolnau/Tolna (h. Vértestolna) und Nikolo/Dunaszentmiklós bilden als kleine Bergdörfer im Geretsche das Schlusslicht. In Tolnau ließen sich (1733) nur 2 Familien von 37 (4,8%) aus dem Würzburgischen nieder: Bundschuh30, Nikolaus aus Hardheim/Odenwald und Kerzner, Johann aus ? Herchsheim südlich Würzburg. In Nikolo siedelte sich nur Keil31, Michael aus ? ,Kunes(ch)‘ an.
Wegen der schlechten Lebenbedingungen blieb nur ein Teil der 71 Familien an Ort und Stelle: Einige zogen in Nachbardörfer, andere ins Banat.32
  In Tata und Agostyán gibt es heute noch 11 Familien mit dem Namen Eck.
Ist wahrscheinlich mit Keb gleichzusetzen. Nach Prenzinger (S. 68) wanderte N. Geheeb 1737 aus Mariaburghausen (?) aus. Er hatte 60 fl. Vermögen bei sich.
Ling ist vermutlich mit Linckh identisch, da die Herkunftsorte ,Presdorf‘ und Prölsdorf gleich sein dürften. Nur die Ansiedlungsjahre stimmen nicht überein: Nach Prenzinger (S. 140) siedelte Linckh 1738 mit 30 fl. nach St. Augustin um.
Den von Fatuska und Kaptay angegebenen ON Hart gibt im betreffenden Gebiet nicht. Ihn gibt es einmal in Bayern nördl. von Waldkraiburg und einmal nördl. von Dresden.
In Ebern lebt heute noch eine Familie mit dem FN Melber.
In Unterfranken gibt es heute keinen ON Red(e)lhof oder Rödelhof. Vermutlich handelt es sich hierbei um den ON Rödelmaier.
Er ist nach Pfrenzinger (S. 98) 1737 aus Bösenbechhofen nach Ungarn ausgewandert. Obwohl die Jahreszahlen und Herkunftsorte nicht übereinstimmen, könnte es sich doch um die gleiche Person handeln.
Heute kommt der FN Wolz in Estenfeld östlich Würzburg noch 53-mal vor! Vermutlich wurde später Walz daraus. Heute kommt dieser FN – als Walcz geschrieben – in Tata und Tatabánya noch je 7-mal vor.
Baumann, Andreas wanderte nach Pfrenzinger (S. 54) 1735 aus Großlangheim aus und hatte ein Vermögen von 36 fl.
10 Wegen der Gleichheit der Familiennamen und des Anfangs der Ortsnamen könnte es sich hier um Brüder handeln. In Tatabánya gibt es heute – laut Telefonbuch als Izing geschrieben – 31 Ising-Nachkommen.
11 Er soll der legendäre Reinhardt sein, der in englischen Dienten in Indien märchenhaften Goldschatz angesammelt hat, von dem auch die ungarndeutschen Reinhardt-Nackommen etwas erben wollten… [siehe: Treszl, Anton: Tarian, 1996, S. 215]
12 Bei Pfrenzinger (S. 101) eindeutig als Reuß, Hans Jörg identifiziert. Er wanderte 1733 aus Kehlingsdorf bei Burgwindheim mit einem Vermögen von 50 fl. aus.
13 Der FN Rödl kommt heute in Rödelsee noch einmal vor.
14 Die Nachkommen leben heute in Schitte/Süttõ.
15 Alle vier Namens-Varianten: Sangl, Sangel, Stangl, Stangel kommen heute noch in Deutschland ziemlich häufig vor.
16 Der FN Bauer kommt heute in Schemling noch einmal vor.
17Ein nichtexitierender ON nach Fatuska-Kaptay
18 Laut Telefonbuch sind in Schemling heute noch 13 Pfisterer ansässig.
19 Nach Pfrenzinger (S. 183) ist er schon – mit 100 fl. Vermögen – 1715 nach Mähren ausgewandert. Von dort kam er als Schmied 1734 nach Schemling!
20 Laut Pfrenzinger (S. 149) aus Untersteinbach mit 9 + 15 fl. ausgewandert.
21 Da in Großenhausen heute noch ein FN Eich existiert, könnte statt Eck auch Eich in Frage kommen.
22 Nach Pfrenzinger (S. 68) ist Fritz, Hans Adam 1718 aus Reupelsdorf mit einem Vermögen von 200 fl. ausgewandert. Ob es sich um den gleichen Fr. A. handelt wie in Saar, ist nicht erwiesen. Später taucht der FN auch in Tolnau auf.
23 Nach Fatuska und Kaptay Hajosch.
24 Bei Burghardt-Szekeres (S. 17, Nr. 55) steht Jacobus Kolm. Kolm ist die ua-mundartliche Form von Kolben.
25 Nach Pfrenzinger (S. 89) ist Lorenz (nicht Hans!) Landsmann 1733 aus Thüngfeld ausgewandert. Er hatte ein Vermögen von 187 + 202 + 251 + 216 fl.
26 Laut Burghardt-Szekeres (S. 16, Nr. 68) war Josephus Metz 1746/47 38 Jahre alt. Nach Fatuska und Kaptay war Michael M. (1734) 44 Jahre alt, d. h. Josef M. könnte der Sohn von Michael M. sein.
27 Nach Pfrenzinger (S. 119) ist Wagenbrönner, Leonhard, 1737 aus Rimpar mit einem Vermögen von 186 fl. ausgewandert
28 Büttner kommt in Geiselwind heute noch einmal vor.
29 J. Feth wanderte 1748 aus Bischbrunn nach Ungarn aus (Pfrenzinger S.65).
30 In Hardheim leben heute noch 23 Familien mit diesem Namen! Im Kirchenbuch von Tolnau von 1733-43 er auch verzeichnet. Bis in unsere Zeit existiert dieser FN in Tolnau und in Tarian, allerdings vielfach als Buncsú geschrieben. Übrigens ist in Deutschland häufig auch die Schreibweise Bundschu anzutreffen.
31 Ein Keil lebt heute noch in Nikolo.
32 Belegt ist der Weiterzug von Familie Laub aus Szár: Tino Laub schreibt dazu im März 2005 aus Münschen „(Die) Linie unserer Familie in folgender Seite einzusehen:
http://www.banaterheide.de/fambuch/sellesch/FAML.HTM
Der älteste dort erwähnte Laub war „Ludwig Laub“, geboren ca. 1689.
LAUB Lorenz rk Bauer hS, < 1610.1 * errechnete Geburt.1733 in Saar † 11.05.1816 Sellesch Kb 2/14/6 Eltern: Laub Ludwig , N.N. Elisabeth
Sellesch HNr.173, 73; Beruf: Bauer gS, Beisitzer; /SM/Hk: Szár in Hungaria; HLLA: /173/hS) Lorenz Laub (5), Auswanderungsort/Auswanderungsgebiet: Ketskes / Komorn, Auswanderungsjahr: 1790;
RPNL: /173/ Lorenz Laub (hS); RPUV: Lorenz Laub (als 5.); Q. Fb Szár/Vérteskozma 98/742/1 u.99/746; Fb Környe/Kecskéd 364/703; KKHZ;
Laub Lorenz ist der Sohn von Laub Ludwig, siehe Text oben * . Und da haben wir den Beweis, Laub Lorenz ist 1733 in Saar geboren, vermutlich war seine Mutter schon auf dem Weg von Eichenberg/Sailauf in Unterfranken bereits mit ihm schwanger. Somit kommt der erste Laub aus Unterfranken. Sein Vater, Laub Georg kam mit seinem Bruder Laub Adam im Jahre 1732 aus Eichenberg/Sailauf.“

Literatur:
1) Fatuska, J. und Kaptay, Gy.: Auswertung des handschriftlichen Esterházy-Dokuments aus dem Jahre 1737 (MOL = Ungarisches Staatsarchiv, Budapest) über die Ansiedlung von deutschen Siedlern in 7 Dörfern der Esterházys rund um die Kreisstadt Tata/Totis in Ungarn (ungarisch) [in: Limes, Nr. ’99/2, S. 43-52, Tatabánya 1999/1]
2) Pfrenzinger, Alfons: Mainfränkische Auswanderung nach Ungarn … im 18. Jahrhundert, Vaihingen/Enz, 1984, 193. S.
3) Burkhardt-Szekeres, Klara: Geschichte und Brauchtum in Saar, Szár 1990, 309 S.

  *Veröffentlicht in: Unser Hauskalender – Jahrbuch der Deutschen aus Ungarn 2002, S. 33–35