Kán / Kahn

 

Kán/Kahn
Eine kleine Gemeinde an der Grenze zwischen Metschek/Mecsek und dem Schelitzer/Zselicer Hügelland. Das Ein-Straßendorf liegt in einem N-S-lich verlaufenden malerischen Tal. Gegründet wurde es Anfang des 12. Jahrhunderts. Es war im Besitz des Geschlechts Kán. Die Gründungsurkunde stammt aus 1126. In der Türkenzeit (1526–1686) war es total entvölkert. 1760 wurde es von Deutschen aus Württemberg neu besiedelt.
Sie rodeten beiderseits des Baches das Gebüsch und den Wald und bauten nach und nach ein typisches Straßendorf nach den Vorgaben der Hofkammer. Die Häuser standen senkrecht zur Dorfstraße. Die Rückseite war die Grenze zum Nachbarhof. Die Häuser hatten einen von Pfeilern gestützten offenen Gang. Im Hinterhof befanden sich die Kammer, Stall und als Abschluss des Hofes die quer stehende Scheune. Dahinter  folgte das Gartengrundstück, wie in den Waldhufendörfern in deutschen Mittelgebirgen. Charakteristisch für die Dachböden von Kahn ist, dass sie höher sind als in anderen ungarndeutschen Dörfern. Das ist deutlich an den höheren Hausgiebeln zu sehen. Die großen Speicherräume der Langhäuser dienten zum Trocknen und Lagern von Getreide, Obst und tierischen Lebensmitteln.
Im Laufe der Zeit entstand in dem entlegenen Tal ein blühendes Gemeinwesen. Landwirtschaft und Handwerk ernährten die fleissigen Bewohner. In dem nur durch unbefestigte Wege erreichbaren kleinen Ort blühte – dank der Beteiligung aller – auch das Kulturleben. Bis zur Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg war Kahn ein rein deutschsprachiges Dorf. Es hatte eine Dorfschule, eine kleine Kirche und ein Gemischtwaren-Geschäft. Es gab zwei Schmiede und einen Wagner sowie andere Handwerker.
In den rund sechzig Häusern der Gemeinde lebten 1941 bei der Volkszählung 354 Menschen. Davon bekannten sich 286 zur deutschen Nationalität und 312 zur deutschen Muttersprache. Von den 354 Einwohnern sind nach dem Zweiten Weltkrieg 346 registriert worden, um einen Grund zu ihrer Enteignung und Vertreibung zu finden. Die meisten (285) wurden dafür bestraft, dass sie sich zur deutschen Nationalität bekannten. 28 mussten büßen, weil sie Deutsch als Muttersprache angaben. 52 waren Mitglied des Volskbundes und 109 dienten – die meisten zwangsweise – in der SS oder Wehrmacht. 97 Personen machten sich „strafbar“, weil sie ihren ursprünglichen Familiennamen zurücknahmen oder mit einer zur Zwangsaussiedlung verpflichteten Person verwandt waren sowie freiwillige Aussiedler. Merkwürdig ist, dass nur 5 Personen vertrieben werden sollten, allerdings mussten 169 das Dorf verlassen. Sie mussten Hab und Gut stehen und liegen lassen. Zu dieser Zeit waren noch 31 Personen in Kriegsgefangenschaft, interniert, verhaftet oder vermisst.
An Stelle der von Haus und Hof verjagten Deutschen kamen ungarische Bergleute aus anderen Gegenden des Landes und der Slowakei. Sie verstanden reichlich wenig von Landwirtschaft und Handwerk. Nach dem die Vorräte der Vertriebenen aufgebraucht waren, begann der Niedergang des Dorfes. In den Jahrzehnten der kommunistischen Herrschaft verfielen die Häuser zusehends, die Gemarkung verwilderte immer mehr. Mangels industrieller Arbeitsplätze und der großen Entfernung (25 km)  zu Fünfkirchen, verließen die Neusiedler nach und nach das Dorf. Ein Haus stürzte nach dem anderen zusammen. Der Zerfall wurde noch dadurch beschleunigt, dass den Ruinen  brauchbare Baustoffe, die damals Mangelware waren, entnommen wurden, um die noch bewohnten Häuser notdürftig in Stand zu halten. Laut Volkszählung lebten 1949 nur noch 219 Menschen im Dorf. Von ihnen bekannte sich niemand mehr zu deutschen Muttersprache…
Die Landflucht erreichte bis 1978 ihren Höhepunkt, so dass Kahn in die einst ebenfalls deutsche Gemeinde Hetvehely eingemeindet wurde. Die Zerstörung der historischen Bausubstanz wurde dadurch natürlich nicht aufgehalten. Im Jahr 2002 lebten schließlich nur noch 10 Personen im Dorf. Touristen aus der Stadt besuchten die Ruinen-Siedlung und fanden gefallen an der idyllischen Umgebung und den noch vorhandenen Bauten. Manche erwarben gleich mehrere Baugrundstücke, um darauf ein Wochenendhaus zu errichten. Die Idee des Dorftourismus brachte neues Leben in das entlegene Tal. Beim Wiederaufbau suchte man auch Kontakt zu den vertriebenen Deutschen. Ihr Rat ist wieder gefragt. Schade nur, dass man erst jetzt erkennt, wie wertvoll ihre Aufbauleistung für diese Gegend war…
Quellen:
1) Sendung des Bartók Rádiós über Kán am 20. Dezember 2007, 1800 –1830
2) http://www.itour.hu/cgi-bin/turism?pid=2&id=1&falunev=kan
3) http://www.nepszamlalas.hu/hun/egyeb/nemet/data/telepules_d.html

Anton Tressel