Cholera in Tarian Analyse einer Epidemie

Vor mehr als 140 Jahren – im Jahre 1866 – hat die Gemeinde im ungarischen
Gerecse-Gebirge ein Schicksalsschlag getroffen, der bis auf den heutigen Tag in der
Erinnerung der Dorfbewohner unvergessen geblieben ist. Das ist vor allem dem
Rochus-Denkmal in der Untergasse zu verdanken. Die Statue des heiligen Rochus
hat Andreas Werle und posthum seine Gattin Anna Beigelbeck errichten lassen.
Anna Baigelbeck ist im Alter von 43 Jahren von der Cholera hinweggerafft worden.
Sie haben im Haus Nr. 180 in der Hintergasse, unweit des späteren DenkmalStandortes gewohnt.
Rochus – geboren um 1295 in Montpellier/S-Frankreich – ist u. a. Patron der Kranken und Krankenhäuser sowie gegen Pest und Cholera. Um vor verheerenden Seuchen verschont zu werden, riefen die Menschen ihn an und errichteten ihm Statuen. Die hygienischen Verhältnisse im Dorf waren damals katastrophal. Die Wasserversorgung ist mit Hilfe von öffentlichen Brunnen geschehen.
Sie waren an bestimmten Stellen der Dorfstraßen gebohrt worden. Später sind auch Brunnen in den Höfen hinzugekommen, vielfach in der Nähe von Misthaufen. Die Brunnenschächte waren mit Kalksteinen ausgemauert. In den Lücken zwischen den Steinen haben Spatzen genistet. Nistmaterial und Jungvögel sind ständig ins Wasser gefallen. Die Abwasser versickerten im Boden. Das mit tierischen und menschlichen Fäkalien verunreinigte Grundwasser beeinträchtigte die Wasserqualität zusätzlich. Selbst Plumpsklos hat es nicht in jedem Haus gegeben. Vielfach haben die Menschen ihre Notdurft hinter den Mäststeigen verrichtet. Die Kinder sind beim Spielen wiederholt in die Kothaufen getreten…
Diese Umstände und mangelnde Hygiene sowie schlechte Wohnverhältnisse haben dazu geführt, dass sich im Spätsommer des Jahres 1866 Cholera-Bakterien im Trinkwasser massenhaft vermehrten. Sie verursachten schweren Durchfall, bei dem der Stuhl nur aus Wasser und Vibrionen-Bakterien bestanden hat. Die Menschen starben infolge hohen Wasserverlustes. Am 7. September starb als erster Anton Obele im Alter von einunddreiviertel Jahren. Im gleichen Haus starb einen Tag später die 54jährige Magdalena Pertl. Fünf Tage später starb auch die sechsjährige Schwester Maria Obele. Während am 10. September bereits vier Personen gestorben sind, waren es ein Tag später schon fünf. In den folgenden Tagen sind täglich bis zu vier Menschen gestorben. Am 19. September waren es sogar acht. Der Höhepunkt ist am 21. mit zehn Toten erreicht worden. Man hat es kaum geschafft, die Verstorbenen zu
beerdigen. Der örtliche Pfarrer Ferdinand Drágfy wurde dabei tatkräftig von
Kapuziner-Pater Andreas Hansz aus Totis unterstützt.
Am 1. Oktober sind noch sechs Personen verstorben. Danach ließ die Sterbewelle
langsam nach. Mit Ausnahme vom 7., an dem noch fünf Menschen ihr Leben
verloren haben, waren es bis Ende des Monats täglich ein bis drei. Nach dem 24.
Oktober nahm die Seuche ein Ende. Am 11. November starb der 19jährige Franz
Monz als Letzter an Cholera.
Insgesamt forderte die Seuche 117 Menschenleben. Vierundfünfzig von ihnen waren
männlichen und dreiundsechzig weiblichen Geschlechts. Nach der Altersgliederung
waren mit 31% am meisten die Unterzehnjährigen betroffen. Die wenigsten Opfer
kommen aus den Altersgruppen der 11–20jährigen (6%), 61–70- und 71–87jährigen
(je 5,2%). Die mittleren Altersgruppen sind alle mit über 10% vertreten. Davon sind
mit 19 Toten (16,4%) die 31–40jährigen am meisten betroffen. Das älteste Opfer war
Theresia Schmölz mit 87 Jahren, das jüngste Josef Hartdegen, er starb fünf Minuten
nach seiner Geburt.
Nach Familiennamen betrachtet, waren fünfundzwanzig Familien mit zwei bis fünf
Toten betroffen. Familie Obele hat mit sechs Angehörigen den größten Verlust
erlitten. Je fünf Mitglieder verloren die Familien Mayer und Strubhaar, je vier die
Streli, Supera und Utto. Je drei Tote hatten die Familien Fleckenstein, Monz, Pratz,
Salzinger und Tresel zu beklagen.
Unter den Opfern hat es eine Reihe Auswärtsgeborener gegeben: Allmann
Magdalena, * Szomor, Balling Barbara, * Jenõ; Berghold Anna, * Kecskéd;
Bihacker Elisabetha, * Szt. Miklós; Burghardt Franciscus, * Szt. Miklós; Buser
Josephus, * Szt. Miklós; Heisinger Catharina, * Zsámbék; Huber Anna Maria, *
Piszke; Klement Rosalia, * Piszke; Mayer Theresia, * Szár; Obermüller Barbara, *
Szt. Miklós; Polzer Josephus, * unbekannt; Schmölz Theresia, * Oszlop; Supera
Josephus, * Szt. Miklós; Tremmel Catharina, * Felsõ-Galla und Zavadszky Albertus,
* Héreg.
Die obigen Daten stammen aus den Matrikeln der r. k. Pfarrei. Wie sich die Seuche
auf die zahlenmäßig kleine reformierte Kirche im Dorf ausgewirkt hat, konnte –
mangels Unterlagen – nicht festgestellt werden. Da die Opfer aus allen Teilen des
Dorfs gekommen sind, kann angenommen werden, dass auch reformierte Christen
unter ihnen waren.
Interessant ist es, dass in dem vier Kilometer entfernten Tolnau die Cholera nur zwei
Opfer forderte. Als erster ist am 26. September 1866 ein 28jähriger k. u. k.-Soldat
aus Böhmen auf der Durchreise gestorben. Das zweite war ein viereinhalbjähriges
Kind, das am 20. Oktober starb.
Es ist geplant, bei der bevorstehenden Restaurierung der Rochus-Statue die Namen
der Opfer mit dem Alter und Sterbedatum für die Nachwelt festzuhalten.